Verdammt früh ist es. Mitten in der Nacht, kurz nach 3.30 Uhr. Unser Minibus hat uns bereits durch Assuan zum Militärstützpunkt gebracht. Hier warten Dutzende Busse und andere Fahrzeuge auf den Start im Konvoi nach Abu Simbel. Es geht 3,5 Stunden tief in die Wüste hinein. Richtung Süden, an die Grenze zum Sudan.
In Ägypten kann man keine 100 Kilometer alleine fahren. Alles wird im Konvoi abgewickelt. Sicherheitsgründe. Vorne fährt ein Polizeifahrzeug, in der Mitte und am Schluss auch. Überall Maschinenpistolen, Gewehre. Schon seltsam, wie schnell man sich an die Präsenz von Waffen gewöhnt…
Abu Simbel – Abfahrt im Konvoi
Der Konvoi rast durch die Wüste. Alles ist dunkel. Wir liegen ausgestreckt auf den Bänken unseres Minibusses, betrachten die Sterne. Dann wollen wir schlafen. Luxus, so ein eigener „Tourbus“ Zweieinhalb Stunden später. Die Zivilisation ist weit entfernt. Nikki wälzt sich, ihre Haut ist heiß wie ein Kohleofen. Fieber! 39,6 Grad – fast 40! Mitten in der Wüste! Hektik. Stoppen geht nicht, umkehren auch nicht. Eisige Wadenwickel mit dem Wasser aus der Kühltruhe, Paracetamol. Wir brettern weiter durch die Nacht. Vor Abu Simbel soll ein Ambulanz-Posten sein. Nikki hält sich tapfer, bleibt ruhig. Trinkt über 1,5 Liter in 15 Minuten. Wir erreichen die Ambulanz. Ambulanz? Eine Lehmhütte in der Wüste. Staub weht umher. Der Mann liegt im Sand auf einer Pritsche, Szenerie wie aus einem alten Western. Er stellt kurze Fragen, zieht dann eine Spritze auf. Nikki verzieht keine Miene. Sie soll kalt duschen. Aber wo? Nikki schleppt sich zum Wagen, kalte Lappen auf der Stirn.
Wir rasen Richtung Abu Simbel. Hier soll es ein Hospital geben. Ein Hospital? Das rostige Eisentor müssen wir fast eintreten, hupen wie die Wilden. Es dauert Minuten, bis sich etwas regt. Das Fieber ist noch da, zum Glück leicht gesunken. Militärpolizei trifft ein. Wir bleiben zusammen, gehen in den Bau, der aussieht wie ein mexikanischer Knast an der Grenze zu Guatemala in der 1940er Jahren. Einzelheiten wollen wir nicht nennen – aus Respekt vor den freundlichen, überaus besorgten und enorm hilfreichen Menschen in Ägypten… Endlich ein Arzt mit weißem Bart und Glatze. Misst den Blutdruck, schreibt ein arabisches Rezept. Jetzt sinkt das Fieber, die Spritze wirkt. War es der Tee in den Straßen von Assuan? Die Shisha im Café, die Nachwirkungen der Pharaonen-Rache aus Kairo? Wir werden es nicht erfahren. Sind nur glücklich, dass sich Nikkis Zustand normalisiert. Jetzt will es die Touristenpolizei genau wissen. Wir sollen auf die Wache kommen. Das dunkle Zimmer ist angenehm kühl. Im winzigen TV plärren arabische Nachrichten. Die Klimaanlage surrt. Der Kommandant ist ein freundlicher Mann, lässt flink ein Protokoll schreiben. Ob wir Anzeige erstatten wollen? Dann würde ein Verfahren eingeleitet, um zu klären, ob Essen verdorben war. Nikki winkt ab. „La a`“. Nein. Natürlich nicht. Gegen wen auch? Europäische Mägen müssen hier extrem vorsichtig sein. Wir wussten das. Der Kommandant lächelt. „Kismet.“ Schicksal, ja, so ist das eben. Er wünscht noch Gute Besserung, dann sind wir wieder draußen. Und so kam es, dass Nikkis Unterschrift in einem ägyptischen Polizeiprotokoll an der Grenze zum Sudan auftaucht…
Abu Simbel – der imposante Tempel von Ramses II.
Minuten später stehen wir vor dem Gelände von Abu Simbel. Nikkis Temperatur ist fast auf Normalmaß. Sie will den Tempel jetzt natürlich unbedingt sehen. Und der Besuch lohnt sich! Der monumentale Bau von Ramses des II. wurde wegen des Stausees um ein paar Meter nach oben versetzt, eine deutsche Firma leitete das Megaprojekt. Es lief alles perfekt, der Tempel sieht exakt aus wie vorher. Sogar die Sonnenstrahlen fluten die Figuren des Allerheiligsten im Inneren des Tempels.
Vier 20 Meter hohe Ramses-Statuen sitzen erhaben vor dem Tempel. Sie sollten Nilreisenden in alter Zeit signalisieren: Hier beginnt das Reich des Ramses – hier beginnt Ägypten. Die Inschriften sind kriegerisch. Ramses tötet alle Feinde. Wild und mächtig, dieser Pharao. Und doch ein liebevoller Mann? Seiner geliebten Frau Nefertari ließ er einen eigenen, wenn auch etwas kleineren Tempel gleich nebenan bauen. Wir sind ganz ergriffen. Mag auch der wilden Anreise ein wenig geschuldet sein. Doch wer bis nach Assuan fährt, sollte sich auch Abu Simbel nicht entgehen lassen.
Kurz vor der Rückfahrt im Konvoi schwingt die Tür unseres Minibusses auf, ein Gewehrlauf ragt herein. Der Träger, ein Militärpolizist, steigt zu uns in den Bus: Nur für den Fall der Fälle, sagt man. Er soll uns bis Assuan begleiten. Falls etwas ein sollte. Kein Risiko in Ägypten. Der Mann hat ein freundliches Wesen und ein feines Gesicht mit geschwungenen Augenbrauen, das ein bisschen an einen Ägypter aus alten Pharaonenzeiten erinnert. Draußen flimmert die Fata Morgana bei über 50 Grad. Die über dreistündige Fahrt verträumen wir im Halbschlaf.
Bootsfahrt auf dem ersten Katarakt
Der Schlaf am Nachmittag auf dem Nilkreuzfahrtschiff hat gut getan. Der wilde Morgen ist fast vergessen, als wir das hübsche Motorboot in Assuan besteigen. Es soll uns auf dem Nil durch das Naturschutzgebiet am ersten Katarakt schippern. Das sind die Stromschnellen des Nils. Wunderschön windet sich der mächtige Fluss hier, unterbrochen von vielen kleinen Inselchen. Die Fahrt ist glücklicherweise frei von Zwischenfällen, wir genießen die grüne Landschaft in vollen Zügen. Auch unser Reiseguide Ahmed ist beruhigt, kein Segel, das ihn schocken kann.
Besuch im nubischen Dorf am Nil
Die bunt getünchten Häuschen aus getrocknetem Nilschlamm leuchten in der Nachmittagssonne. Wir legen an. In einem verträumten nubischen Dorf. Hier bei Assuan leben viele Nubier. Ihre Haut ist viel dunkler als die der Ägypter. Die Nubier haben ihre eigene Sprache (die aber nur gesprochen, nicht geschrieben wird) und ihre eigene Kultur. Kamele schreiten durch das Dorf, bringen einige andere Touristen herbei. Überall sind Verkaufsstände, Teppichweber, spielende Kinder. Frauen mit hohen Wangenknochen, freundliche Männer. Hier wird man nicht so nachdrücklich in „Verkaufsgespräche“ gezogen. Alles ist entspannter, zurückhaltender. Ein anderer Schlag Menschen.
Wir werden in ein blau bemaltes Wohnhaus gebeten, rauchen gemütlich eine Shisha und trinken heißen Mokka. Die nubische Familie ist freundlich und unaufdringlich. Alles ist ruhig, sogar eine kleine Klimaanlage gibt es. Sie ergänzt den leise flappenden Ventilator. In einem Betonbecken in der Mitte des Hauses halten die Nubier junge Krokodile. Kleine Kinder toben auf dem einfachen Sandboden. Weil die Frauen hier künstlerisch sehr begabt sind, lassen wir uns Henna-Tattoos machen. Eine hübsches Andenken, das anders als unsere Erinnerungen an diese Reise durch Ägypten, allerdings nach einer Woche verblassen wird…
Video: Bootsfahrt auf dem Nil und Besuch im nubischen Dorf bei Assuan
Das kurze Video oben auf der Seite zeigt die Bootsfahrt durch das malerische Naturschutzgebiet bei Assuan und unseren Besuch im nubischen Dorf.
Die Fotogalerie des heutiges Tages unserer Ägypten-Rundreise mit Nilkreuzfahrt ist ein bunter Mix aus Kultur und Natur. Die meisten Fotos sind HDR-Aufnahmen. Sie zeigen den sagenhaften Tempel von Abu Simpel, das schöne Naturschutzgebiet am ersten Katarakt bei Assuan und das Leben im nubischen Dorf: