
Pinch Hitter. Was ist das denn? Der Begriff kommt aus den USA, bedeutet etwa „Einspringen“. Wozu man das braucht? Zum Beispiel in diesem Fall: Der Mann mit den Kopfhörern links neben Dir röchelt kurz. Dann sackt er zusammen. Rütteln, Schütteln, Schreien. Nichts hilft. Das ist schlecht. Denn der Mann zur Linken ist der Einzige, der verhindern kann, dass die Erde immer schneller näher kommt. Er ist Pilot. Und hat einen Herzinfarkt. Autsch! Schön wäre es, wenn man nun selbst fliegen – und vor allem landen – könnte. Dazu braucht man nicht gleich eine Pilotenausbildung. Ein Pinch Hitter Kurs ist schneller absolviert. Ein paar Stunden Theorie. Einige Flugstunden. Dann soll man in der Lage sein, eine Cessna oder ein anderes Kleinflugzeug möglichst unfallfrei zum nächsten Flugplatz zu navigieren und zu landen. Nikki&Michi haben es ausprobiert – hier ihr Video von der ersten Flugstunde!
Pinch Hitter Kurs in Uetersen-Heist bei Hamburg

Flugplatz Uetersen-Heist bei Hamburg. Die Sonne lacht, der Windsack langweilt sich müde am Pfahl. Ein Kleinflugzeug nach dem anderen hebt ab. Auch Segelflugzeuge ziehen ein paar Runden. Am Rande des Flugfeldes treffen wir Frederik (27), einen Fluglehrer der Flugschule Hamburg (Air Hamburg). Mit ihm will ich meine erste Flugstunde wagen. Der erste Schritt auf dem Weg zum Pinch Hitter. Charmante Piloten sagen auch Hilfspilot dazu. Andere belächeln die Blitzausbildung als Hausfrauen-Pilotenschein.
Frederik erklärt gut. Wir laufen um die Cessna, ich lerne Höhenruder, Seitenruder, Querruder usw. kennen. Das bisschen Blech hilft uns, am Himmel Kreise zu ziehen, wundere ich mich. Angetrieben wird das viersitzige Fluggerät von einem amerikanischen Lkw-Motor. „Schluckt ganz ordentlich“, grinst Frederik. 100 Oktan, verbleit. Nach dem Check außen, steigen wir ein. Beckengurt anlegen, Headsets auf. Dann lerne ich, dass wir in der Luft mit einem anderen Treibstoffgemisch fliegen als unten fahren. Der Fluglehrer zeigt mir die wichtigsten Instrumente. Ich kenne sie vom Zocken am PC. Hier würde ich aber gern ein Game Over vermeiden, höre aufmerksam zu.
Ich überlege noch, welche der zweihundertdreißig Fragen ich als nächstes stellen soll, da lässt Frederik die Zündung an. Auch recht. Ich will los. Fliegen. Ruckel, ruckel, wir rollen. Am Boden wird der Flieger mit dem Seitenruder über die Fußpedale gelenkt, nicht mit dem Steuerhorn. „Das Funktioniert erst in der Luft“, quäkt es aus meinem Kopfhörer. Frederik funkt, Startfreigabe.
Mit Vollgas zum Pinch Hitter

Wir geben Vollgas. Ab 50 Knoten Geschwindigkeit können wir abheben. Ich ziehe am Steuerknüppel. Laangsaaaam. Und wir fliegen! Frederik gibt Anweisungen. „Kurve nach rechts.“ Ich fliege vorsichtig nach rechts. Zu vorsichtig. Bis zur 30 Grad-Markierung kann man auch als Anfänger entspannt einschlagen. Ich habe den Bogen schnell raus. Das macht Spaß! Ab in Richtung Elbe.
Bisher dachte ich, dass nahezu alle Flugbewegungen engmaschig durch einen Tower überwacht und gesteuert werden. Stimmt nicht. Frederik: „Fliegen wir die Elbe Richtung Mündung hoch, können wir uns sehr frei bewegen. Das heißt auch Aufpassen, es gibt ja noch andere Flugzeuge außer uns. Wir sind hier oben für uns selbst verantwortlich.“ Im Flugraum Hamburg allerdings übernimmt der Tower vom Hamburger Flughafen in Fuhlsbüttel. Wir müssen uns via Funk anmelden. Unser „Eintrittstor“ ist der Hamburger Segelflughafen, sobald wir hier drüber sind und Richtung Finkenwerder fliegen, wacht Hamburg Tower über uns.
Das Airbusgelände zieht unter uns vorbei. Der neue A380 für British Airways steht da. Von hier oben wirkt der Megaflieger wie ein Spielzeug. Der A380 ist noch nicht ganz bereit zur Auslieferung. Rechts der Köhlbrand und die gleichnamige Brücke, dann tauchen vor uns Landungsbrücken und Elbphilharmonie auf. Linkskurve Richtung Alster. Ein atemberaubender Blick von hier oben aus der Cessna. „Wir steigen bitte auf 2500 Fuß“, sagt Frederik. Der Grund: Wir müssen mindestens 1000 Fuß zwischen uns und dem höchsten Hindernis haben. Richtung Fernsehturm. Also noch ein bisschen höher. Dazu zieht man gar nicht unbedingt wild am Steuerknüppel der Cessna. Mit ein bisschen mehr Gas gewinnt unsere „Victor Eco“ (unser Kennzeichen) fast von selbst an Höhe.
Ein paar Runden drehen wir über Binnenalster, Rathausmarkt, Michel und dem bunt blinkenden Hamburger Dom. Wir warten auf die Freigabe von Hamburg Tower. Denn Frederik hat eine Überraschung für mich.
Tiefflug über den Hamburger Flughafen

Er will mir einen Tiefflug über die Startbahn des Hamburger Flughafens bieten. Doch noch ist ein großer Airbus im Landeanflug. Wir sehen ihn am Horizont. Touchdown, gelandet. Freigabe der netten Dame im Tower! Jetzt dürfen wir. Der Floh zwischen den dicken Silberzigarren der Berufsfliegerei. Wir setzen an zur Platzrunde, reihen uns dann ein. Landeanflug! „Achtung, bitte keinen Touchdown, der kostet 100 Euro“, grinst Frederik. Natürlich halte ich unsere Victor Eco nicht allein einen halben Meter über dem Boden. Wooooosch. Die Landebahn rast unter uns vorbei. Nur Fliegen ist schöner? Wir fliegen! Winkewinke zum Tower, dann ziehen wir hoch. Wieder Richtung City. Eine Ehrenrunde um Fernsehturm und Großneumarkt. Dann wieder über die Elbe zurück Richtung Uetersen-Heist. Nach dem Überflug des Yachthafens melden wir uns bei Hamburg Tower ab. Bye, bye.
Nun heißt es wieder Konzentration. Landeanflug. Wieder lerne ich: Gas weg, dann sinkt die Maschine von alleine. Man nimmt eine Menge mit in diesem Pinch Hitter Kurs, denke ich zufrieden. Dann kommt der Boden immer näher. Ich bin völlig angstfrei, bisher hat ja alles gut geklappt. Frederik ist bei mir, hilft doch ordentlich. Die erste Landung kann man nicht gleich alleine machen. Wir setzen butterweich auf. Keine Probleme. Gas weg, Taxi zur Parkposition. Cool!
Pinch Hitter Ausbildung

Die Ausbildung zum Pinch Hitter ist recht kurz und straff. Bei der Flugschule Hamburg handelt es sich um dreimal zwei Unterrichtsstunden Theorie. Und fünf praktische Flugstunden mit dem Fluglehrer. Die Kosten liegen zurzeit bei 950€. Man kann jederzeit einen Pinch Hitter Kurs starten. Den Lehrgang zum Pinch Hitter gibt es übrigens schon seit 1963, er wurde von der Aircraft Owners Pilot Association (AOPA) entwickelt. Auch von den deutschen Behörden ist der Pinch Hitter anerkannt. Neben dem direkten Nutzen des „Hausfrauenpilotenscheins“ ist der Pinch Hitter oft auch der Einstieg in die private Fliegerei und die Ausbildung zum Luftfahrzeugführer. Der Pinch Hitter Kurs wird bei vielen Flugschulen auf die Schulstunden zur Privatpilotenlizenz (PPL) angerechnet.
Faszination Fliegen. Ich bin dem alten Traum der großen Freiheit mit dem Pinch Hitter auf jeden Fall ein ordentliches Stückchen näher gekommen …