Segelkunstflug. Ein Sport, ein Wahnsinn, pures Vergnügen? Wer einmal die irrwitzigen Kapriolen der Segelflieger gesehen hat, mag glauben: das ist nur etwas für Lebensmüde, für Verrückte! Rückenflug, Aufschwung, Turns und andere Figuren – Nikki und Michi wollten es genau wissen: wie fühlt sich ein Segelkunstflug an? Showdown auf dem Flugplatz der Luftsportgemeinschaft Waterkant-Zetel e.V. in Friesland an der Nordsee. Hier ist der ausführliche Bericht zum Segelkunstflug 2010:
Segelkunstflug: Sicherheit und jede Menge Fun
Das Wetter, das Wetter. Auf der Fahrt von Hamburg Richtung Wilhelmshaven begleiten uns dicke Wolkentürme. Oben in Friesland kurz vor der Küste tröpfelt es sogar. Können wir heute wirklich abheben? Eigentlich kein Wetter für einen Segelkunstflug. Hartmut, der Vereinsvorsitzende der LSG Waterkant-Zetel, wartet schon. Er zwinkert hinter seiner Fliegerbrille: „Das klappt schon. Hier reißen die Wolken immer wieder auf.“ Und tatsächlich – blau blitzt es direkt über uns – in der so genannten Kunstflugbox. Das ist ein bestimmter Bereich am Himmel, schräg über dem Segelflugplatz – hier sollen wir die tollkühnen Figuren fliegen.
Die Ruhe im Team der LSG lässt auch bei uns keine Hektik aufkommen. Frank und Niko schieben eine blütenweiße Zigarre aus dem Hangar. Eine ASK 21. Das ist ein modernes Segelflugzeug, aus GFK gefertigt, ein glasfaserverstärkter Kunststoff. Ein perfektes Gerät für einen Segelkunstflug. Seit über 50 Jahren werden Flugzeuge aus diesem Material gefertigt. Der Segelflieger sieht sehr schnittig aus – und verdammt klein. Die zwei Sitze sind hintereinander angeordnet. Vorne sitzt der Kunstflug-Pilot, hinten hat ein Passagier Platz. Platz? Michi will als Erster mitfliegen. Zunächst der Fallschirm. „Für alle Fälle“, grinst Kurt. Er ist ein erfahrener Fluglehrer, kreist schon seit 38 Jahren am Himmel. Oben aussteigen musste er noch nie. Das soll auch so bleiben…
Michi muss in die ASK 21 operiert werden – kuschelig eng ist es in der gertenschlanken Zigarre. Nix für Menschen mit Platzangst, diese Segelkunstflugzeuge. Dann kommen Gurte von allen Seiten. Vor allem die Hüfte wird knallhart an den Sitz geschnallt. Segelflieger Frank erklärt: „Gerade im Rückflug ist der Kontakt mit dem Sitz wichtig. Hebt sich der Hintern, wird dem Passagier unwohl.“ Rrritsch! Die Gurte sitzen. Sicherheitseinweisung, Notfallplan, Erklärung zu den Instrumenten wie dem Höhenmesser – Dann wird die Plexiglashaube geschlossen. Hartmut hat währenddessen den Motorsegler Samburo klargemacht. Mit einer Art Abschleppseil wird der Samburo Fluglehrer Kurt und Michi in ihrer ASK 21 auf eine Höhe von rund 1,2 Kilometern ziehen. „Schlepp“ heißt dieser Vorgang.
Start in ein luftiges Abenteuer
Ein leichter Ruck geht durch den Segelkunstflieger. Start! Hartmut gibt vorne Gas im Samburo. Wir rollen am Seil hinterher. Keine zehn Sekunden später heben wir ab. Ein tolles Gefühl! Die ASK 21 knackt hier und da, die Luft zischt draußen vorbei. Sonst ist es still. Frei wie ein Vogel! Wir genießen die Aussicht auf die norddeutsche Tiefebene. Sehen bis zum Zwischenahner Meer. Auf der anderen Seite liegt Wilhelmshaven und der Jadebusen. Bis zur Nordsee reicht der Blick. Fantastisch! Hartmut schleppt uns durch die Wolken, immer höher schrauben wir uns. Dann macht es Klick. „Wir sind dann mal weg“, funkt Kurt und geht gleich in eine sportliche Rechtskurve. Nicht einmal im Ansatz ein Vorgeschmack auf das, was gleich kommt. Fluglehrer „Kuddel“ erklärt noch einmal, dass wir jederzeit abbrechen können und verweist auf die Plastiktüten in der rechten Seitentasche. Nicht notwendig, hoffe ich. Dann reißt Kuddel die Maschine hoch. Looping! Wow! Wir nutzen ein großzügiges Wolkenloch direkt, zischen durch die Kunstflugbox. Turn links, Turn rechts. Enorme Kräfte wirken auf Maschine und Mensch. Bis 280 Stundenkilometer ist die ASK 21 zugelassen. Kräfte bis zu 8 G sind möglich – theoretisch.
Turns, Rückenflug, Loopings – whoohoo!
Achterbahn? Pfff, Kinderkarussell gegen diesen wilden Ritt! Aufschwung, Rolle links, Rolle rechts, dann geht’s steil nach oben. Bis der Segelflieger seinen Schwung verliert. Für einen Moment sind wir fast schwerelos, dann kippt Kuddel die ASK 21 nach rechts. Nur zwei Wimpernschläge später beschleunigen wir auf über 200 Km/h. Yay! Und es geht nahtlos in die nächste Figur. Rückenflug! Durch die Plexiglashaube kann man nun wunderbar die Erde unter uns sehen. Ich denke an Tom Cruise und sein waghalsiges Überkopfmanöver in Top Gun – ja, so fühlt sich das an. Kopfüber lenkt Kurt das Segelflugzeug ebenso sicher wie anders herum. Wir fliegen im Kreis. Ich fühle mich sicher, gurgle vergnügt mit Adrenalin. Ein geiles Flugmanöver! „Das waren jetzt 5,5 G“, erklärt Kuddel die enormen Kräfte. Die stehen einem auch ins Gesicht geschrieben, werden wir bei der Nachbetrachtung sehen, wenn die Lefzen hinter den Ohren flattern. In einer rasanten Rechtskurve geht es zurück zum Flugplatz. Schade, aber jeder Segelkunstflug geht einmal zu Ende. Kuddel „winkt“ kurz vor der Landung mit den Tragflächen – ein Fliegergruß. Dann rumpelt es kurz, wir setzen auf dem kurzgeschorenen Rasen auf. Bilderbuchlandung! Nikki und Michi sind sich sicher – das war nicht der letzte Segelkunstflug.
Nach dem Flug lassen wir uns noch den Hangar und den übrigen Flugzeugpark zeigen. Alles ist liebevoll gepflegt. „Da steckt viel Arbeit drin“, erklärt Vereinschef Hartmut. „Wenn man sich für die Fliegerei entscheidet, verbringt man seine Freizeit auf dem Flugplatz.“ Langsam errötet der Himmel, ein großartiger Tag neigt sich dem Ende zu. Wir sagen vielen Dank für die tolle Betreuung an das ganze Team! Wir haben uns nicht nur sicher, sondern ausgesprochen wohl gefühlt. Perfekt für den ersten Segelkunstflug…
Die Lage: Segelflugplatz der LSG Waterkant-Zetel
Die Gemeinde Zetel liegt im südwestlichen Friesland an der Nordsee. Hier liegt auch der Flugplatz der Luftsportgemeinschaft Waterkant-Zetel. Wer auch einmal einen Segelkunstflug oder einen „normalen“ Segelflug machen möchte, findet auf der Vereinsseite weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten: Luftsportgemeinschaft Waterkant-Zetel. Hier unten die Lage des Segelflugplatzes auf der Landkarte von Google Maps: